Lasallianische Pädagogik im 21. Jahrhundert
Auszüge aus dem Buch von Nicolas Capelle FSC:
"Je veux aller dans ton école!" p. 221 – p. 248, Salvator Paris 2006.
1.
Lasallianische Zukunft
Die
Autoren dieses Buches kommen aus städtischem Umfeld von allen fünf
Kontinenten. Ihre Arbeit machte ihnen verständlich, was es bedeutet, wenn
man zusammen lebt und zusammen arbeitet; das ist eine unserer großen
Herausforderungen für unsere gemeinsame lasallianische Zukunft. Lehrer und
Erzieher können dabei neue Bereiche auf dem Gebiet der humanitären Bildung
erschließen: Förderung und Respekt vor den Kulturen, Hinführung zur
Demokratie, vertiefende Entwicklung von Gerechtigkeit und Frieden,
interreligiöser Dialog, soziales Engagement, Frauenrechte, Kinderrechte,
Rechte von Minderheiten.
Gemeinsames Leben fordert Erneuerung und Anpassung der Lehrerausbildung,
um in Zukunft in neuen und unterschiedlichen Bereichen arbeiten zu
können.
2.
Schule, ein Ort zum Leben
Unser
Institut ist ein gewichtiges soziologisches Gebilde mit dem Ziel:
menschliche, christliche und religiöse Werte durch kulturelle und
schulische Bildung und Erziehung für die Jugend, besonders für eine
alleingelassene arme Jugend zu fördern und zu vertiefen.
Volksschulen, Mittelschulen, Höhere Schulen, Universitäten, Erziehungs-
und Jugendzentren, Nachbarschaftszentren, Druck- und Verlagsarbeit,
Zusammenkünfte für die Jugend:
… Schule bedeutet hier nicht nur schulische
Struktur, das ist auch ein Ort zum Leben, der ganzheitliche Bildung und
altersgemäßes Wachstum zulässt und fördert.
3.
Sehen – Urteilen – Handeln
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In der
„Schule“ ist es die Person, die zuerst kommt, dann kommt erst der Kontext
einer bestimmten Familie oder einer sozialen, ethnischen oder religiösen
Gruppe. Dieser Zugang beruht auf den drei Schritten: Sehen, Urteilen,
Handeln. Manchmal verwendet man auch die Begriffe Versenkung, Prozess,
Interface. Man benötigt zunächst einmal Zeit, um sich in eine Situation zu
versenken, dann beginnt man zu verstehen und kann Hilfestellung geben. Das
ermöglicht einen Prozess, der hilfreiche Strategien hervor bringt.
Schließlich kann dann entschieden werden, welche pädagogische Struktur
geeignet ist, eine Schnittstelle zwischen den Nöten und den gefundenen
Antworten herzustellen.
4.
Erziehung – kein fertiges Projekt
Meistens
arbeiten wir in einer schulischen Umgebung. Für eine lasallianische Schule
der Zukunft soll es nicht nur um Wissens- und Lernstrukturen gehen, vor
allem soll Schule ein Leben spendender Ort sein, für einzelne Menschen,
für Gruppen, für die Gemeinschaft.
Allerdings ist dieser Prozess erst im Bau begriffen, man erfährt auch die
Zerbrechlichkeit der sozialen Systeme, der Partnerschaften, der Familien,
es gibt einen Werte- und Orientierungsverlust. Eine Reihe von Pädagogen
fragt sich daher, ob sie sich noch länger dieser Aufgabe widmen sollen.
Erziehung ist also nicht mehr ein fertiges Paket, das in die gesamte Welt
verschickt werden kann.
5.
Erziehung und Spiritualität
In einer
lasallianischen Schule wissen wir, dass Erziehung viel mit Spiritualität
(in einem umfassenden Sinn) zu tun hat, sowohl von der Gründung durch
Johannes de La Salle her, als auch vom täglichen gesellschaftlichen
Kontakt und in Begegnung mit den heutigen Werten: Geld, Ansehen, Konsum,
Indifferenz, seelische Erkrankungen, … Deshalb werden immer mehr
spirituelle Events angeboten, durch die man Klarheit über sein Leben
gewinnen und nach einer Perspektive ausrichten kann. Manchmal braucht es
Stille, um in sich gehen zu können, oder man spricht sich aus, betet
miteinander. Jeder versucht, seine Lebensgeschichte zu finden und mit
anderen zu teilen.
6. Was
ist zu tun?
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Am Beginn
der lasallianischen Institution stand nicht ein perfektes pädagogisches
Projekt, sondern ein ganz klares gesellschaftliches Bedürfnis. Die Kinder
der ärmeren Leute konnten nicht zur Schule gehen und für die, die es
konnten, war der Unterreicht nicht sehr effektiv. Für die ersten Brüder
war es wichtig herauszufinden, wie man den Kindern wirksam helfen konnte.
Auf diese Weise konnten sie in der zukünftigen Gesellschaft eine Rolle
spielen und durch ihre Bildung und ihren Beruf einen Platz in der
menschlichen Gemeinschaft einnehmen. Fragen wir uns zuerst: Was ist zu
tun? Was hilft den Kindern und Jugendlichen, den Familien, der lokalen
Gemeinschaft und den helfenden Organisationen?
7.
Input in einen weltweiten Horizont
In vielen
Ländern der Welt finden wir in den lasallianischen Einrichtungen eine
ähnliche Erziehungs-Atmosphäre. Für die lasallianischen Institutionen ist
es an der Zeit, diesen besonderen Input in einen weltweiten Horizont zu
stellen.
Drei Faktoren lassen einen Synergie-Effekt entstehen:
-
Die
Verankerung der lasallianischen Tradition in der Geschichte und
die Weitergabe derselben durch Aus- und Weiterbildung.
-
Eine
Dezentralisierung im Kontext gemeinsamer Ziele.
-
Der
Einsatz neuer Technologien zur Entwicklung von weltweiten Verbindungen.
8.
Zugang zur Erziehung
Lasallianische Pädagogik besteht nicht in bestimmten Techniken, sondern in
einem gesamtmenschlichen erziehlichen Zugang, der Originalität ermöglicht.
Es ist das die christliche Sicht von Jugend und von Lehrern und Erziehern
und wie sie zusammen leben und arbeiten können. Die ganzheitliche Sicht
der Erziehung, die die Person und die Zukunft einschließt. Die
lasallianische Sichtweise einer zukünftigen Schule, in der es einfach
Platz zum Leben und Wachsen gibt, ein Platz für alle, die dort leben und
arbeiten. Das haben Johannes de La Salle und die ersten Brüder mit ihren
Christlichen Schulen gemeint.
9. Der
lasallianische Lehrer und Erzieher als Mediator
Das ist
genau die Rolle, die Johannes de La Salle seinen Lehrern vorstellt:
-
ein
Mittler für die Kinder auf der Suche nach Wissen
-
ein
Mittler für die Jugend bei der Suche
nach ihrem Selbstverständnis
-
ein
Mittler für junge Menschen auf der Suche
nach dem Bild Gottes
in der Welt von heute
Englische Übersetzung von Jerzy Geppert FSC:
"I want to go to your school!",
Salvator
Paris 2006
Übersetzung
und Bearbeitung: Br. Erhard Tietze, Strebersdorf
2007.
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Lasallianer unterwegs
1. Der Neue Weg
Wir alle kommen aus
unterschiedlichen Umgebungen, mit verschiedenen pädagogischen und
gesellschaftlichen Ideen sowie mit differenzierten religiösen und
spirituellen Auffassungen, aber wir sind in einer gemeinsamen Sendung
vereinigt: in der lasallianischen Sendung der menschlichen und
spirituellen Erziehung einer bedürftigen Jugend und im Charisma von
Johannes de La Salle.
Wir fühlen uns solidarisch und bleiben Johannes de La Salle treu in
unserer Antwort auf die neuen Realitäten: die Bedürfnisse der Neuen Armut
in einem multikulturellen und multireligiösen Zusammenhang.
Der neue Weg hat bereits begonnen und dieser Weg geht weiter.
2. Ein Weg in
Gemeinschaft
Immer wieder können
wir entdecken, dass dieser Neue Weg nur in Gemeinschaft möglich ist. Eine
Gemeinschaft, die sich in Begegnung zeigt, in gegenseitiger Wahrnehmung
wächst und in geteilter Großzügigkeit lebendig bleibt.
Diese Gemeinschaft antwortet auf die schreienden Bedürfnisse der Jugend.
„Brennender Eifer“ motiviert persönliche Talente und Leidenschaften zum
Wohl der jungen Menschen. Gegenseitiger Dialog ist dafür notwendig und
wesentlich. Diese Einstellung kommt „zusammen und durch Vereinigung“ für
die Sendung zustande.
Auf diesem Weg, „zusammen und durch Vereinigung“, können wir Visionen für
eine verwandelte zukünftige Gesellschaft aufleuchten lassen.
3. Die Sendung
als ein besonderer Weg
Die Sendung ruft uns
auf einen besonderen Weg im Erziehungsdienst für unsere Jugend. Wir lernen
die Wurzeln von Neuer Armut kennen und spüren immer mehr die
Notwendigkeit, Gerechtigkeit und Frieden zu fördern. So können wir Zeichen
der Zeit sein und als lebendige Erinnerung an De La Salle wirken: als
Licht in den Herzen der jungen Menschen und als Licht für die Welt, durch
eine Erziehung zu menschlichen und christlichen Werten.
4. Ein Schritt
nach dem anderen

Entdecken und teilen
wir das lebendige Charisma in kreativer Treue zu unserem Stifter; lassen
wir prophetische Gedanken in unserem Leben zu und haben wir den Mut, sie
auszusprechen.
Wir wollen auf dem Weg von Johannes de La Salle in die Zukunft gehen, im
Schein seines Charismas, und ein Schritt wird uns zum nächsten führen in
einer Art und Weise, wie wir uns das nie vorstellen können.
Vgl. A Final Message, International Assembly 2006,
p.45-46.
Übersetzung und
Bearbeitung: Br. Erhard Tietze, Februar 2007.
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